Open Source in der Schule – Was dafür und was dagegen spricht
By zefanja
Open Source in der Schule – ein Thema, bei dem sich häufig die Geister scheiden. Ist es wirklich sinnvoll Open Source Software (OSS) in der Schule zu verwenden? Gibt es gerade für Schulen nicht viel geeignetere Alternativen? Welche Argumente gibt es für und gegen den Einsatz von OSS in der Schule, d.h. im Unterricht, im Computerraum oder auf auf dem Schulserver? Gibt es Schulen, die erfolgreich auf OSS setzen oder ist das nur ein Wunschtraum?
Ich möchte versuchen Argumente für und gegen Open Source Software in der Schule aufzulisten. Diese Liste ist sicher nicht vollständig und ich werde sie deshalb von Zeit zu Zeit aktualisieren. Wer noch weitere Ideen und Gründe für oder gegen den Einsatz von Open Source in der Schule hat, ist hiermit ermutigt einen Kommentar zu schreiben 🙂
Warum man Open Source in der Schule verwenden sollte – die Chancen
Sensibilisierung für informationelle Freiheit vs. Monopole – Der Einsatz von Open Source Software leistet einen großen Beitrag in der Medienerziehung. Dazu zählt die Sensibilisierung für die Tatsache, dass heutzutage der Großteil meiner Daten nur einer handvoll Unternehmen gehört. Weiterhin das Aufzeigen von Möglichkeiten und Alternativen, die es neben den großen Anbietern proprietärer Software gibt.
Freiheit – Dieser Begriff ist sehr weit und umfasst sowohl die Freiheit von kommerziellen Interessen, als auch im Sinne von Weitergabe von Software. Dazu zählt auch, dass die meiste OSS lizenzkostenfrei ist. Der Einsatz von OSS bricht Abhängigkeiten von Herstellern, von Supportverträgen oder Sicherheitsupdates, die nur gegen Aufpreis verfügbar sind. LibreOffice stellt z.B. sicher, dass ich Dokumente aus vielen kommerziellen Produkten weiterverwenden und importieren (teilweise auch exportieren) kann.
keine Lizenzkosten – In der Regel zahlt man für OSS keine Lizenzkosten. Dadurch kann langfristig sehr viel Geld gespart werden. Weiterhin können Unterrichtsprojekte/-methoden, welche teure Programme oder deren flächendeckende Installation erfordern, mit OSS-Alternativen realisiert werden. Aus finanziellen Gründen wären diese oft nicht möglich. Man muss z.B. Grafikbearbeitung nicht mit Adobe Photoshop lernen.
Sicherheit – Der Quelltext von OSS ist für jeden frei zugänglich. Schwachstellen werden i.d.R. schnell behoben. Hintertüren sind dadurch nur schwer einzuschleusen – wenn überhaupt. Bei (L)Unix – Systemen gibt es eine klare Rechteverteilung. Das erhöht die Sicherheit zusätzlich. Derzeit gibt es recht wenig bekannte Viren und Malware für Linux-Betriebsysteme.
größeres Verständnis für Funktionsweise von Programmen – Dadurch, dass Schüler die Möglichkeit haben, andere Software neben den marktbeherrschenden Programmen kennenzulernen, können sie ein größeres Verständnis für die Funktionsweise bekommen, z.B. einer Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation. Es wird weniger „Klick-Wissen“ angeeignet, sondern man stattet die Schüler mit einer größeren Flexibilität im Umgang mit unbekannter Software aus.
Gleichheit – OSS leistet einen großen Beitrag zur Gleichheit zwischen den Schülern. Die Software kann jeder frei für die meisten Betriebssysteme herunterladen und auch weitergeben. Es herrscht kein Zwang eine bestimmte Software zu kaufen, um die Inhalte des Unterrichts zu Hause zu vertiefen. Finanzschwächere Familien werden nicht benachteiligt.
Werte – Die Werte, die hinter der OSS-Bewegung stehen passen gut zu Schule und zu dem, was sie eigentlich vermitteln will. Konkret meine ich (Wissen) teilen, zusammen arbeiten, Offenheit, Transparenz, freier Zugang zu Informationen. Diese Praxis und die Kultur des Weitergebens und Teilens fördern Kompetenzen, die ethisch und gesellschaftlich von hoher Bedeutung sind.
Lokalisierung – OSS Software ist oft in der Muttersprache vorhanden. Diese Argument zählt vielleicht nicht so sehr in der westlichen Welt, in der jede Software meist noch in anderen Sprachen neben Englisch verfügbar ist. In Asien oder Afrika, in denen es sehr viele verschiedene Sprachen gibt, ist das ein großer Vorteil. Auch wenn Englisch sehr weit verbreitet ist, gibt es viele Teile auf der Welt, in denen diese Sprache nicht gesprochen oder verstanden wird.
Verwaltung / Administration – Nach mehreren Jahren Erfahrung mit OSS im privaten sowie im schulischem Umfeld kann ich persönlich bestätigen, dass die Verwaltung von vielen Rechnern mit OSS wesentlich einfacher und zeitsparender ist. Die Möglichkeiten zur Automatisierung sind riesig. Wir verwenden auch Windowsrechner bei uns, aber deren Pflege und Wartung ist ca. 80% aufwendiger als unsere Ubuntu-Rechner.
alte Hardware kann länger verwendet werden – Ein Vorteil, den man nicht unterschätzen sollte, gerade für Schulen. Die meisten Dinge, die Schüler in der Schule an einem Computer lernen und wozu sie ihn benutzen, erfordern keine hohe Systemvoraussetzungen. Ein alter Rechner, ausgestattet mit einer kleinen SSD, lässt sich noch viele Jahre einsetzten. Gebrauchte Hardware kann man günstig erwerben oder man erhält sie u.U. auch als Spende. Mit OSS, die oft weniger Ressourcen braucht, kann man Hardware noch lange einsetzten. Wir haben z.B. noch Rechner im Betrieb, die schon fast 8-10 Jahre im Betrieb sind.
Was spricht gegen die Verwendung von Open Source in der Schule?
Trotz der oben genannten Punkte, gibt es auch Argumente gegen den Einsatz von Open Source in der Schule. Generell muss man unterscheiden, in welchem Umfang man OSS verwenden möchte. Geht es nur darum eine Anwendung auszutauschen oder eine Schule komplett, d.h. vom Betriebssystem an, mit OSS zu betreiben? Oder möchte man OSS nur auf einem Server einsetzen? Je nach Anwendungsfall kommen weitere Argumente dazu oder fallen weg.
weniger Support durch Unternehmen – Es gibt faktisch weniger Unternehmen und Dienstleister, welche OSS unterstützen, v.a. auch abseits der westlichen Welt. Das ist ein großes Problem, wenn man z.B. von Windows zu Ubuntu wechseln möchte. In vielen Fällen gibt es vielleicht eine engagierte Lehrkraft, aber das ist keine langfristige Lösung bzw. eigentlich auch nicht Aufgabe eines Lehrers.
kaum Lernsoftware vorhanden – Lernsoftware ist zu 99% für Windows konzipiert. Für Linux oder macOS gibt es von den Schulbuchverlagen kaum Anwendungen. Sicher kann man über den Sinn und Zweck von Lernsoftware streiten, aber es gibt kaum eine Lernsoftware für Linux. Wer Lernsoftware einsetzen will / muss, braucht i.d.R. einen Windowscomputer (physisch oder virtuell).
kleinere Community, wenige Referenzen – Es gibt einige Schulen in Deutschland, aber auch weltweit, die Open Source in der Schule verwenden, aber man findet wenig Informationen darüber. Das ist v.a. ein Nachteil, wenn man den (geplanten) Einsatz von OSS vor der Schulleitung oder dem Vorstand begründen muss.
weiterer Bildungs- und Berufsweg verwendet andere Software – Dies ist ein weit verbreitetes Argument gegen OSS. Später müsse man doch sowieso Mircosoft Office verwenden, warum sollen die Schüler dann den Umgang mit LibreOffice lernen? Eigentlich kein richtiges Argument gegen OSS, denn m.M.n. hat dieses Argument auch mit dem nächsten zu tun:
Bequemlichkeit und allgemeine Abwehrhaltung gegen OSS – Ich erlebe immer wieder eine gewissen Abneigung gegen OSS. Man befindet sich oft in einer Rechtfertigungshaltung, wenn man OSS einsetzen möchte. Das hat zum Teil mit der Qualität und Stabilität einiger Open Source Projekte zu tun, aber auch mit der mangelnden Flexibilität vieler Lehrkräfte. Das kann ein großes Hindernis für den erfolgreichen Einsatz von OSS sein!
Unsichere Weiterentwicklung – Für die Weiterentwicklung von OSS gibt es keine Garantie, weil sie vom freiwilligen Engagement der Community sowie der Nachfrage abhängt. Das gilt vor allem für viele kleine Projekte.
Anwendungsintegration – Im Zusammenspiel mit anderen Applikationen, insbesondere kommerzieller Software, kann es zu erheblichen Problemen kommen. Dieses Argument spielt in Schulen eine kleinere Rolle im Vergleich zu Unternehmen.
Was nötig ist – die Herausforderungen
Die größten Herausforderungen beim Einsatz von Open Source in der Schule sehe ich im Abbau von Berührungsängsten und den damit verbunden Schulungen sowie der Gewinnung von einem geeigneten Dienstleister oder eigenem Personal. Diese beiden Punkte sind kritisch, wenn man OSS im Unterricht oder in der IT-Infrastruktur einsetzen möchte. Ich erlebe immer wieder, wie Kollegen und Mitarbeiter OSS ablehnen oder kritisch gegenüberstehen, weil es anders ist und nicht so aussieht bzw. funktioniert, wie sie es gewohnt sind. Hier kann man mit internen Fortbildungen und Schulungen entgegenwirken. Deshalb muss eine Migration z.B. von MS Office zu LibreOffice oder Windows zu Ubuntu gut geplant und vorbereitet werden. Trotz allem wird es aber immer Leute geben, die dem kritisch gegenüber stehen, getreu nach dem Motto „Was er Bauer nicht kennt, isst er nicht!“.
Damit der Einsatz von Open Source Software in der Schule gelingt, braucht es unbedingt auch kompetentes Personal bzw. Dienstleister. Ohne so einen Person oder Partner ist es schwierig(er) die Kollegen für OSS zu gewinnen. Oft muss individuelle Hilfe geleistet oder zusätzliche Dokumentation erstellt werden, v.a. in der Übergangszeit. In Europa und der westlichen Welt sind die Chancen größer einen solchen Partner zu finden, aber in anderen Teilen der Welt kennt man fast nur Windows. Dessen muss man sich bewusst sein.
Fazit
Als Schule im Ausland sind wir den Schritt Richtung Open Source vor ca. 2 Jahren gegangen und haben es nicht bereut. Im Gegenteil: Wir haben unsere bisherige Infrastruktur stark ausgebaut – ohne größere Mehrkosten. Mit Hilfe von Open Source Software konnten wir so in vielen Bereichen einen Mehrwert schaffen. Unsere Schüler haben die wenigsten Probleme mit unseren Ubuntu-Rechner und auch viele Kollegen arbeiten gern damit. Als Schulserverlösung verwenden wir linuxmuster.net – eine freie Musterlösung – hinter der eine super Community steht – nett, hilfsbereit, kompetent.
Setzt du Open Source in der Schule ein? Wo siehst du die größten Chancen und Herausforderungen?